Landkreis Stade

Inhalt

Vorlage - 2015/0506-01  

Betreff: Antrag des Kreistagsabgeordneten Koch-Böhnke (DIE LINKE.) vom 23.02.2015 betr. "Gedenken an die Zwangsarbeiter/innen des 2. Weltkrieges im Landkreis Stade"
Status:öffentlich  
  Bezüglich:
2015/0506
Beratungsfolge:
Kulturausschuss
17.06.2015 
Sitzung des Kulturausschusses (offen)   

Beschlussvorschlag:

Der Kulturausschuss nimmt den Bericht zur Kenntnis und sieht keinen Bedarf für weitere Aktivitäten.


Sachverhalt:

In der Sitzung des Kreistages am 09.03.2015 wurde der Antrag des Kreistagsabgeordneten Koch-Böhnke (DIE LINKE.) betr. "Gedenken an die Zwangsarbeiter/innen des 2. Weltkrieges im Landkreis Stade“ behandelt. Mit Beschluss des Kreistages vom 09.03.2015 wurde dieser Antrag in den Kulturausschuss verwiesen.

Seit mehr als 25 Jahren wird im Landkreis Stade die Zeit des Nationalsozialismus umfassend wissenschaftlich erforscht und die Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert. Hierzu gehört insbesondere das Schicksal der rassisch und politisch Verfolgten sowie der Zwangsarbeiter. Die mit maßgeblichen Haushaltsmitteln durchgeführten Untersuchungen mündeten in zahlreichen Publikationen, Ausstellungen und persönlichen Kontakten zu überlebenden Opfern. Die wichtigsten Projekte zur Erforschung der Geschichte der Zwangsarbeiter im Landkreis Stade zwischen 1939 und 1945 werden im Folgenden vorgestellt.

Der Historiker Hartmut Lohmann war von 1988–1990 beim Landkreis Stade beschäftigt, um erstmalig die Zeit des Nationalsozialismus aus regionaler Perspektive zu erforschen. Hieraus entstand seine 485 Seiten umfassende Dissertation "Hier war doch alles nicht so schlimm" – Der Landkreis Stade im Nationalsozialismus, die 1991 als Band 8 in der vom Landkreis Stade herausgegebenen Reihe „Beiträge des Landkreises Stade zu regionalen Themen“ erschienen ist. Das Werk wurde in zwei Auflagen verlegt und wurde vom Landkreis Stade finanziert. In dem Buch wird auf den Seiten 358–371 das Thema „Fremdarbeiter in der Kriegswirtschaft“ umfassend thematisiert und mit historischen Quellen belegt.

Im Zuge der Forschungen Lohmanns wurde 1989 im Landkreis Stade an 5 Orten (Stade, Buxtehude, Harsefeld, Mulsum und Drochtersen) die Ausstellung "Gedemütigt - Entrechtet - Verfolgt" gezeigt. Die vom Landkreis Stade finanzierte Ausstellung thematisierte das Schicksal der Stader Juden im Dritten Reich. Hierzu wurde vom Landkreis eine künstlerische Publikation mit Werken von Hartmut Berlinicke finanziert. Lohmann erstellte für die Ausstellung außerdem ein Begleitheft.

Im Jahr 1993 erschien die Publikation von Raimond Reiter, Tötungsstätten für ausländische Kinder im Zweiten Weltkrieg. Zum Spannungsverhältnis von kriegswirtschaftlichem Arbeitseinsatz und nationalsozialistischer Rassenpolitik in Niedersachsen (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 39). Darin wird das Schicksal der Kinder von Zwangsarbeiterinnen während des „Dritten Reiches“ behandelt. Gedenksteine in Stade, Jork-Borstel, Balje, Fredenbeck und Drochtersen erinnern an das Schicksal dieser Kinder auch im Landkreis Stade.

Der ehemalige Stader Stadtarchivar Dr. Jürgen Bohmbach veröffentlichte im Jahr 1995 die grundlegende Publikation: „...zu niedriger Arbeit geboren ...“ Zwangsarbeit im Landkreis Stade 1939-1945. Stade 1995.

Angeregt durch die Diskussion über der Einrichtung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die im Jahr 2000 zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter des NS-Regimes gegründet wurde, wurde das Thema Zwangsarbeit im Jahr 2000 auch auf der 7. Sitzung des Kulturausschusses (13. Wahlperiode) des Landkreises Stade behandelt. Dabei wurde beschlossen, dass der Landkreis Stade und die Hansestadt Stade ein gemeinsames Forschungsprojekt finanzieren (Kosten: 120.000,- DM). Bereits auf der 5. Sitzung des Kulturausschusses (13. Wahlperiode) des Landkreises Stade wurde entschieden, eine Dokumentation über die „Entbindungsstationen“ und „Heime“ für die Kinder von Zwangsarbeiterinnen im Landkreis Stade zu erstellen. Für die wissenschaftliche Bearbeitung beider Themen wurde für zwei Jahre die Historikerin Dr. Heike Schlichting gewonnen. Als Ergebnis entstand die gemeinsame Studie von Heike Schlichting und Jürgen Bohmbach, Alltag und Verfolgung – Der Landkreis Stade in der Zeit des Nationalsozialismus, die im Jahr 2003 erschienen ist. Heike Schlichting hat hierfür auf den Seiten 138–183 den Beitrag „Zwangsarbeit und die Einrichtung „fremdvölkischer Kinderheime“ im Landkreis Stade“ verfasst und ein umfangreiches Quellenverzeichnis angefügt. Darin sind die Namen aller in den „fremdvölkischen Kinderheimen“ verstorbenen Kinder von Zwangsarbeiterinnen aufgeführt.

In der Folgezeit wurde das Schicksal der Zwangsarbeiter im Landkreis Stade während des „Dritten Reiches“ intensiv weiter erforscht. Hierzu gehören insbesondere folgende Publikationen:

Mit Mitteln des Landkreises Stade und der Kreissparkasse Stade brachte Jürgen Bohmbach 2005 außerdem das Tagebuch des polnischen Zwangsarbeiters Jan Rurarz: „Mein Tagebuch 1940–1945. Als polnischer Zwangsarbeiter in Freiburg.“ heraus. Das Werk ist in zwei Auflagen gedruckt worden.

Jürgen Bohmbach und Hans-Hinrich Kars haben 2009 den Sammelband „Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in der NS-Zeit an der Niederelbe“ herausgegeben. Neben Fachbeiträgen zu Themen aus dem Landkreis Stade sind auch Texte von Schülern abgedruckt, die die Lebenssituation von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen während des NS-Regimes darstellen. Die Beiträge entstanden während des Wissenschaftstages 2007 am Gymnasium Warstade in Hemmoor.

Der Landkreis Stade ermöglichte ferner einigen während des Nationalsozialismus an die Niederelbe verschleppten Zwangsarbeitern und hier geborenen Zwangsarbeiterkindern aus der Ukraine und Polen den Besuch ihrer erzwungenen Geburts- und Arbeitsorte.

Die Rücksprache mit im Landkreis Stade tätigen Historikern ergab, dass seit den maßgeblichen Veröffentlichungen keine weiteren bedeutenden Archivalien erschlossen werden konnten, die eine erneute wissenschaftliche Beschäftigung mit der Thematik Zwangsarbeit im Landkreis Stade während der NS-Zeit rechtfertigen würden.

Stammbaum:
2015/0506   Antrag des Kreistagsabgeordneten Koch-Böhnke (DIE LINKE.) vom 23.02.2015 betr. "Gedenken an die Zwangsarbeiter/innen des 2. Weltkrieges im Landkreis Stade"   Personal und Interner Service   Antrag
2015/0506-01   Antrag des Kreistagsabgeordneten Koch-Böhnke (DIE LINKE.) vom 23.02.2015 betr. "Gedenken an die Zwangsarbeiter/innen des 2. Weltkrieges im Landkreis Stade"   Dezernat IV   Sitzungsvorlage